Umweltgeowissenschafter entdecken in Vietnam Dioxin im Grundwasser

Ob „Agent Orange“ oder Napalm: Das Aufgebot an chemischen Kampfstoffen im Vietnamkrieg war enorm. Studien belegen, dass darin enthaltene Dioxine bis heute den Boden verunreinigen.

Die UmweltgeowissenschafterInnen Thilo Hofmann und Anke Wendelborn konnten nun erstmals nachweisen, dass Dioxine mittels Nanopartikel auch bis ins 20 Meter tiefe Grundwasser gelangt sind. Bis 1971 flog die US-Armee über 6.000 Einsätze, dabei entlaubte sie rund 1,7 Millionen Hektar Land, um den Versorgungsnachschub der Vietkong frei zu legen. „Das Problem war und ist weniger das Herbizid selbst, als ein darin als Kontamination enthaltenes Dioxin: das besonders toxische 2,3,7,8-Tetrachloro-p-dibenzodioxin (TCDD). Dieser Schadstoff ist bei der Herstellung von Agent Orange quasi als Nebenprodukt entstanden. Davon wussten die Hersteller und auch die US-Amerikaner, aber es störte sie nicht“, erklärt Thilo Hofmann, Professor für Umweltgeowissenschaften an der Universität Wien und Leiter einer in Vietnam durchgeführten und kürzlich veröffentlichten Studie über den Dioxingehalt im Grundwasser.

Bislang existieren verschiedene Studien, die nachweisen, dass TCDD in hohen gesundheitsschädigenden Konzentrationen im Boden zu finden ist, doch das Grundwasser wurde bis vor kurzem noch nicht untersucht. „Durch den klassischen Transport mit dem Regen– und Bodenwasser kann das Dioxin in den letzten Jahrzehnten höchstens zehn Zentimeter in den Boden gewandert sein. Deshalb ist wahrscheinlich auch noch niemand auf die Idee gekommen, das Grundwasser in 20 Meter Tiefe auf Dioxin zu untersuchen“, so Thilo Hofmann, der 2001 eine Gastprofessur in Ho Chi Minh (ehemals Saigon) hatte. „Doch wenn sich das Dioxin wie ein blinder Passagier an natürliche Nanopartikel, so genannte Kolloide, heftet, kann es tiefer gelangen. Diese kleinen Teilchen zwischen einem und 1.000 Nanometer Größe funktionieren wie Lastenträger.“ So lautete die Hypothese des Geowissenschafters. Rund ein Jahr später bestätigte sich die Annahme im Rahmen einer Diplomarbeit von Anke Wendelborn, heute Doktorandin an der Monash University in Australien: Das Forscherteam konnte in rund 20 Meter Tiefe im Grundwasser von „Ma Da“, einer im Vietnamkrieg sehr umkämpften Region in Südvietnam, einen deutlich erhöhten Dioxingehalt feststellen.

Nach der Dioxinanalyse im Labor stellten die ForscherInnen fest, dass es sich beim Dioxin im Grundwasser nicht um TCDD, also dem hoch toxischen Schadstoff von Agent Orange handelte, sondern um OCDD, ein anderes, weniger toxisches Dioxin. „OCDD ist unter anderem ein typisches Waldbrand-Dioxin. So ist möglicherweise nicht die Versprühung von Agent Orange für die erhöhten Dioxin-Werte im Grundwasser verantwortlich, sondern durch den Krieg verursachte Waldbrände“, schlussfolgert Hofmann. Die Konzentration des Schadstoffs im Wasser sei zwar nicht wie beim TCDD im Boden gesundheitsgefährdend, aber alleine die Tatsache, dass das Dioxin mit den Kolloiden in das Grundwasser gelangen konnte, sei alarmierend. Die natürliche Filter– und Schutzwirkung des Bodens habe versagt. „Dieser Transportmechanismus kann auf weitere, wasserunlösliche Schadstoffe und Nanopartikel übertragen werden und müsste zukünftig auch bei der Abschätzung von Grundwassergefährdungen berücksichtigt werden“, so Dr. Frank von der Kammer, Leiter der Gruppe Nanogeowissenschaften am Department für Umweltgeowissenschaften.

In der Gegend um Ma Da haben die USA nicht nur Agent Orange versprüht, sondern auch Napalm-Bomben geworfen, die wiederum großflächige Brände verursacht haben. „Es erscheint plausibel, dass das OCDD im Grundwasser aus Waldbränden stammt, doch das müssen wir erst konkret in einem Folgeprojekt untersuchen“, sagt Hofmann.

Quelle: Universität Wien

Geonet News vom 16.04.2007