Natürlicher Ton als Endlagerwirtsgestein für radioaktive Abfälle?
Nach der Untersuchung von Salz und dem Modelltonmineral Kaolinit soll nun damit begonnen werden, natürliche Tongesteine auf ihre Eignung als Wirtsgestein bzw. als geologische Barriere eines Endlagers für radioaktive Abfälle zu untersuchen.
Die Johannes Gutenberg-Universität hat zusammen mit dem Forschungszentrum Karlsruhe und dem Forschungszentrum Rossendorf 1995 auf Initiative des BMWi einen Kompetenzverbund etabliert, dem mittlerweile weitere fünf Forschungseinrichtungen angehören. Sie untersuchen, wie sich radioaktive Elemente verhalten, wenn sie freigesetzt würden und mit der natürlichen Umgebung, d.h. den Gesteinen und den gesteinsspezifischen Lösungen in Kontakt kämen: Wie werden die Radionuklide von verschiedenen Gesteinen festgehalten und welche Transportprozesse müssen berücksichtigt werden? Werden Radionuklide der Actinidenelemente Uran, Neptunium oder Plutonium bei einem Wassereinbruch überhaupt mobilisiert oder lagern sie sich vor Ort an Oberflächen an und verharren dort unbeweglich? Kommt es zur Bildung von Kolloiden und erfolgt eine Bindung der Radionuklide beispielsweise an Huminstoffe, die in natürlichen Grundwässern vorkommen? Besteht dadurch die Gefahr einer beschleunigten Ausbreitung radioaktiver Substanzen? Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen, nichtradioaktiven Stoffen?
Nach ersten Untersuchungen über den Einfluss von Huminstoffen auf das Migrationsverhalten hatte der Kompetenzverbund seinen Fokus zunächst auf die Verhältnisse bei der Endlagerung in Salzgestein gelegt. Der Einfluss von Huminsäuren auf die Migration von Radionukliden durch Komplexbildung wurde in salzhaltigen Lösungen erforscht. Seit 2003 wurde dann das Tongestein Kaolinit als einfaches Modellmineral verwendet. Beim Abschlussworkshop zu dieser Verbundphase am 28. und 29. März in Mainz haben die beteiligten Forschungseinrichtungen ihre in den letzten zweieinhalb Jahren erhaltenen Ergebnisse vorgestellt. Gleichzeitig fiel der Startschuss für eine weitere dreijährige Verbundphase. „Wir werden nun die Untersuchungen an Kaolinit beenden und wahrscheinlich einen in Norddeutschland natürlich vorkommenden Mergelton als Referenzsubstanz verwenden“, sagte Dr. Siegfried Köster vom BMWi mit dem Hinweis, dass der Bund auch die nächste Projektphase fördern wird. Nach den bisherigen Erkenntnissen gibt es Köster zufolge mit dem seit langem untersuchten Salzstock Gorleben eine sehr gute Lösung, um ein Endlager für abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken und hochradioaktive Abfälle einzurichten. „Wir glauben aber nicht, dass Ton prinzipiell weniger geeignet ist. Ton wird in anderen Ländern favorisiert, die kein Salzgestein haben.“
Anhand von Kaolinit hat das Verbundprojekt in den vergangenen zweieinhalb Jahren die systematischen Grundlagen erarbeitet und die Werkzeuge entwickelt, um Untersuchungen mit einem komplexeren Tongestein beginnen zu können. „Der Verbund wird nun das erarbeitete Know-how zum Studium der Wechselwirkung von radioaktiven Elementen mit natürlichem Tongestein nutzen“, sagte Dr. Holger Bittdorf vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe. „Mit dem jetzt vorhandenen Methodenarsenal sollte es in Zukunft möglich sein, unbekannte Tongesteine im Hinblick auf die für die Radionuklid-Migration wichtigen Eigenschaften einzuordnen und miteinander zu vergleichen.“ Die so ermittelten Kenngrößen werden in die Langzeitsicherheitsanalyse einfließen, die sich auf einen Zeitraum von einer Million Jahren erstreckt. Bittdorf weist darauf hin, dass die Untersuchung von Tongesteinen unabhängig von dem Wirtsgestein des tatsächlichen Endlagers hilfreich und notwendig ist, da beispielsweise eine den Abfall einschließende Tonbarriere bei einer hypothetischen Freisetzung als eine lange Zeit wirksame Barriere dienen kann und den Radionukliden den Weg in die Biosphäre sozusagen versperrt.
Quelle: Forschungszentrum Karlsruhe
Geonet News vom 25.04.2006