Messung der Erdanziehung im freien Fall
Ohne die Schwerkraft gäbe es vermutlich kein Leben auf der Erde und auch unser Alltag sähe völlig anders aus. Da die Erdanziehungskraft aber regional schwankt, wird sie nicht nur durch Satelliten sondern auch durch Geräte am Boden fortlaufend neu bestimmt.
Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) testet derzeit ein neues mobiles Messinstrument, das nicht nur klein genug für den Feldeinsatz ist, sondern auch eine hohe Messgenauigkeit erreicht: Mit dem so genannten Absolutgravimeter können die Wissenschaftler sogar beispielsweise die Änderungen im Schwerefeld durch Schwankungen im Grundwasserspiegel erfassen.
Das Besondere an der Schwerkraft ist ihre unregelmäßige Stärke und Verteilung. Denn die Anziehungskraft wird vor allem durch die variablen Dichteunterschiede im Erdinneren und durch die Fliehkraft der Erdrotation beeinflusst. Doch auch wenn normalerweise niemand bemerkt, dass man am Äquator geringfügig leichter ist als an den Polen, so können Wissenschaftler aus den feinen Unterschieden in der Schwerkraft doch wichtige Informationen ableiten: Geologen fahnden mit ihrer Hilfe nach Bodenschätzen, Klimaforscher ermitteln die Änderungen von Meeresströmungen und Geodäten weisen Höhenänderungen nach, die mit anderen Verfahren kaum aufzulösen sind.
„Durch den Einsatz der modernen Satellitenmissionen wie CHAMP, GRACE und GOCE haben sich die Möglichkeiten der globalen Schwerefeldbestimmungen und zur Erfassung der zeitlichen Änderungen wesentlich verbessert“, erklärt Reinhard Falk vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG). Auf Grund der Entfernung der Satellitensensoren zum Erdkörper werden jedoch nur relativ langwellige und somit großräumige Bestandteile des Schwerefeldes mit hoher Genauigkeit abgebildet. „Für kleinräumige und somit ´hoch auflösende` Schwerefeld¬beobachtungen sind terrestrische Messungen daher nach wie vor unverzichtbar“, fügt Falk hinzu.
Seit kurzem kommen hierzu auch beim BKG so genannte Feld – Absolutgravimeter zum Einsatz. Bei diesen Geräten wird in einer Vakuumkammer die Flugbahn einer frei fallenden Testmasse gegenüber einem gedämpft aufgehängten Referenzpunkt mit einem Laserinterferometer aufgezeichnet. Durch die jeweilige Fallgeschwindigkeit können die Wissenschaftler dann exakte Rückschlüsse auf die lokale Schwerkraft ziehen. „Die Dämpfung des Referenzpunktes ist vor allem wegen störender Umwelteinflüsse wie Verkehr oder Wellengang an größeren Gewässern notwendig. Diese ´Mikroseismik`würde ansonsten die Messergebnisse stark verfälschen“, erläutert Falk die Funktionsweise des Gerätes.
Die Zeitmessung erfolgt hochpräzise mit Hilfe eines Rubidium-Oszillators (Atomuhr). Dadurch lässt sich die Beschleunigung der Masse während des freien Falls bis auf wenige Bruchteile von Nanosekunden genau feststellen. Doch diese hohe Messgenauigkeit ist nur eine von vielen Verbesserungen gegenüber den bisher eingesetzten Relativgravimetern. Denn diese Federsysteme konnten die Stärke der Erdanziehung nur in Verbindung zu einem Punkt mit bereits bekannter Schwere bestimmen. Dazu musste vorher das Relativgravimeter aufwendig durch Messungen auf Gravimetereichlinien im Gebirge kalibriert werden. Das Absolutgravimeter hingegen arbeitet autark und ist somit frei von messtechnischen Abhängigkeiten früherer Messungen.
„Die Empfindlichkeit des Gerätes ist sogar so hoch, dass Grundwasserschwankungen durch Niederschlag oder Bauprojekte in der näheren Umgebung wahrgenommen werden können“, so Falk. Da es keine Referenzpunkte zur Bestimmung des Schwerefeldes benötigt, sind die Wissenschafter in der Wahl der Messpunkte sogar weitaus flexibler als bisher. So können sie nun auch Messungen in abgelegenen Bereichen wie beispielsweise auf alpinen Stationen vornehmen.
Quelle: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG)
Geonet News vom 17.04.2006