Kosmischer Taumel“ gibt Hinweis auf Struktur des Erdkerns
Aus nur millimeterfeinen Abweichungen der Erdachsenbewegung haben Geophysiker jetzt Rückschlüsse auf das Innere der Erde gezogen.
Die Ursachen für den „kosmischen Taumel“ liegen, so vermuten sie, 2.900 Kilometer unter der Oberfläche des Planeten. Forscher der Universität von Kalifornien entwickelten eine neue Theorie, nach der eisenhaltige Sedimente sich an der Kern-Mantelgrenze abagern und dadurch die Erddrehung alle 18,6 Jahre um jeweils einen oder zwei Millimeter bremsen.
„Während der äußere Erdkern rotiert, werden die dort entstehenden Magnetfeldlinien von den eisenhaltigen Anlagerungen an der Mantelgrenze abgelenkt. Der flüssige Kern wird durch diese „Reibung“ abgebremst“, erklärt Raymond Jeanloz, Geologe der Universität von Kalifornien.
Während die Erde sich um sich selbst dreht, zerren die Anzeihungskräfte von Sonne und Mond an ihrem Äquator und beulen ihn leicht nach aussen aus. Sie erzeugen damit ein regelmäßiges „Eiern“ der Erdbewegung in einem Zyklus von 25.800 Jahren. Zusätzlich lösen andere periodische Prozesse im Sonnensystem kleinere Unregelmäßigkeiten – sogenannte Nutationen – aus. Die Erde weicht jedoch auch von diesen regelmäßigen Taumelzyklen um winzigkeiten ab, sie „hängt hinterher“.
Dieses Phänomen ist zwar bereits seit Jahren bekannt, aktuelle, extrem genaue geodätische Vermessungen der Edachse haben nun jedoch zu neuen Erklärungsansätzen dafür geführt.
Die Ursachen für das „Trödeln“ der Erde könnte, so glauben Geoforscher heute, nicht im Weltall, sondern im Inneren der Erde selbst liegen. Den Ort des Geschehens liegt in 2.900 Kilometern Tiefe, dort, wo der feste Mantel an das flüssige geschmolzene Eisen des äußeren Erdkerns grenzt.
Weil sich der Erdkern um eine etwas andere Achse dreht als der Erdmantel, entsteht zwischen Kernmaterial und Mantel, aber auch zwischen dem im Kern entstehenden Erdmagnetfeld und dem Mantel eine Reibung. Da der Mantel nicht aus leitfähigem Materila besteht, können die Magnetlinien ihn normalerweise ungehindert durchdringen, die Reibung ist dann kaum spürbar. Anders sieht es jedoch aus, wenn, wie die Geophysiker glauben, an der Grenze zwischen Kern und Mantel eisenhaltige Ablagerungen die Magnetlinien blockieren. Der daduch erzeugte Widerstand könnte gerade genug Reibung produzieren, um die Erdrotation zu beeinflussen.
Auf der Grundlage von Experimenten, die das Verhalten von Gestein unter exterem hohem Druck und Temperaturen untersuchten, schließen die Geophysiker der Universität von Kalifornien, dass silikathaltige Mineralien im äußeren Erdkern aufsteigen und dabei Eisen mit sich transportieren. Zusammen bilden diese ein eisenhaltiges, poröses Sediment, das auf der Kernoberfläche schwimmt, und sich im Laufe der Zeit in den Senken der festen Mantelgrenze ablagert.
Unterstützt wird diese Theorie durch seismische Messungen von Geophysikern der Universität von Arizona. Sie beobachteten, dass die seimsmischen Wellen in einer bestimmten dünnen Region der Kern-Mantelgrenze extrem abgebremst wurden. Ein Phänomen, dass mit einer eisenhaltigen Schicht erklärt werden könnte.
„Stellen Sie es sich als eine ausgefranste Schicht zwischen Kern und Mantel vor, die an einigen Stellen nur zehn bis 20 Kilometer dick ist, an anderen aber bis zu 1.000 Kilometern in den flüssigen Kern hineinragt“ beschreibt Jeanloz die Ergebnisse.
(Quelle: University Of California, Berkeley, 31.01.2001)
Geonet News vom 02.02.2001