Fieberthermometer der Umwelt

Immer empfindlichere Analyseverfahren lassen immer präzisere Messergebnisse in der Umweltanalytik zu. Was aber ist mit neuartigen Problemstoffen, nach denen noch gar nicht gesucht wurde, die aber möglicherweise gefährlich für Mensch und Umwelt sein könnten? Dort, wo die klassische Analytik nicht weiter hilft, setzen neue Untersuchungsmethoden an: Biotestverfahren geben bereits Alarmsignale, bevor alle Stoffe mit ihren Wirkungsmechanismen identifiziert sind.

„Biotestverfahren haben Indikatorfunktion, stellen eine Art Fieberthermometer für die Umwelt dar“, so Meinfried Striegnitz, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (NLÖ) zur Eröffnung eines Statusseminars für Fachleute aus Umweltforschung und -überwachung. Es gelte herauszufinden, welche dieser neuen Testverfahren künftig in größerem Umfang eingesetzt werden könnten. „Klassische“ Umweltanalytik sucht mit chemischen oder physikalischen Messmethoden nach umweltrelevanten Stoffen, beispielsweise danach, wieviele Mikrogramm eines Pflanzenschutzmittels in einer Wasserprobe enthalten sind. Für viele gemessene Parameter existieren Bewertungskriterien, ab welcher Konzentration Mensch und Umwelt als gefährdet gelten.

Bei anderen Parametern werden Wirkungen erst vermutet. Zudem gibt es immer Stoffe, die mit den angewendeten Analyseverfahren zwar erfasst werden, von denen man aber nicht weiß, dass sie an der Wirkung beteiligt sind. Hier setzen sogenannte „wirkungsbezogene“ Analysemethoden an, Biotestverfahren, bei denen lebende Organismen eingesetzt werden, um Wirkungen direkt zu messen. Sie ermöglichen es, toxische Wirkungen zu erkennen, auch wenn noch unbekannt ist, welcher Stoff die Wirkung auslöst, wo er andockt oder welche Stelle im Organismus er beeinflußt. Oft ist auch ungeklärt, ob sich negative Effekte durch die Wechselwirkung bereits bekannter Stoffe potenzieren. Biotestverfahren liefern im Gegensatz zu den physikalischen und chemischen Bestimmungsverfahren eine direkte Aussage darüber, ob eine umweltschädigende Wirkung zu erwarten ist. Sie sind eine ideale Ergänzung zu den klassischen Analyseverfahren, mit denen wir zwar immer den Stoff finden, nach dem wir suchen, aber keine Aussage über seine Wirkung erhalten.

Das Seminar mit Experten aus Umweltbehörden, Firmen und Universitäten zeigte den Stellenwert der Bioindikation bei der Bewertung von Schadstoffen im Wasser, in Sedimenten, in der Luft und in Böden, u.a. auch bei der Einschätzung des Gefährdungspotentials von Sondermüll in Untertagedeponien. Die klassische Umweltanalytik werde zentraler Bestandteil der Umweltüberwachung bleiben, doch würden Biotestverfahren künftig einen ebenso großen Stellenwert bei der Messung der Umweltqualität erhalten, so das Fazit der Veranstaltung.

(Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Ökologie, Juni.2001)

Geonet News vom 02.07.2001