Feinstaub bedroht auch Böden
An Rußpartikeln sitzen vielfach auch Krebs erzeugende Schadstoffe.
Tübinger Geowissenschaftler haben jetzt festgestellt, dass sich diese Schadstoffe langsam in Böden anreichern. Bisher wissen die Forscher noch nicht, ob sie dort abgebaut werden oder sogar ins Grundwasser gelangen können.
Unter den Schadstoffen sind vielfach die so genannten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs), von denen viel als Krebs erzeugend gelten. Tilman Gocht, Professor Peter Grathwohl und Johannes Barth vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen haben nun untersucht, was passiert, wenn die Rußpartikel aus der Luft in die Böden gelangen. Sie stellten fest, dass die gefährlichen PAKs zumindest bisher praktisch nicht im Grundwasser zu finden sind. Doch da die PAKs kaum abgebaut werden, so haben die Tübinger Wissenschaftler beobachtet, reichern sie sich schleichend in den Böden an. Noch ist unklar, ob davon eine Gefahr ausgeht.
„Die Rußpartikel, die wir untersuchen, fallen teilweise mit einer Größe ab einem Mikrometer unter den Begriff Feinstaub, der gerade in der Diskussion ist, zum Teil sind sie aber auch größer“, sagt Gocht. Die Untersuchungen sind zum Teil in das große EU-Umweltforschungsprojekt „AquaTerra“ eingebunden. Die Rußpartikel sind hier vor allem als Träger Krebs erzeugender Stoffe ins Blickfeld geraten.
„PAKs sind die Schadstoffe, die in der Umwelt in der höchsten Konzentration vorkommen. Erst danach kommen Quecksilber und Dioxine“, so die Wissenschaftler. Zu den PAKs gehören rund 200 verschiedene Verbindungen, von denen meist 16 bis 20 typische Vertreter, darunter auch stark karzinogene, untersucht werden. In der Struktur ihrer Moleküle sind bis zu neun Kohlenstoffringe zu finden. Je mehr Ringe, desto schwerer sind sie in der Regel abbaubar. Darunter ist das mit fünf Ringen schwer abbaubare und karzinogene Benzo(a)pyren. Grathwohl geht davon aus, dass die Rußpartikel mit den anhängenden Schadstoffen größtenteils aus dem Straßenverkehr stammen. „Die Zuordnung ist im Einzelnen schwierig. Doch unter dem Mikroskop kann ich an der Form der Partikel zumindest feststellen, aus welcher Art Brennstoff sie stammen, ob aus Öl, Holz oder Kohle“, erklärt Gocht.
Seine Untersuchungen hat Gocht in ländlichen Gebieten durchgeführt, wo die Rußpartikel gleichmäßiger verteilt sind als in der Großstadt. Er hat im Schwarzwald und im Goldersbachtal im Schönbuch bei Tübingen in der Luft, im Boden und im Grundwasser die Rußpartikel sowie verschiedene PAKs gemessen. „Wir etablieren eine Art Massenbilanz: Was geht in ein bestimmtes Wasser-Einzugsgebiet hinein, was geht hinaus, was bleibt im Boden und wird dort möglicherweise umgesetzt oder gespeichert“, erklärt Barth. Aus der Luft ließen sich die Partikel relativ leicht durch Filter auffangen, so Gocht.
„Im Boden ist das viel aufwendiger. Da müssen die Rußpartikel mühsam von den anderen Bodenpartikeln getrennt und unter dem Mikroskop ausgezählt werden“, sagt er. Doch die PAKs lassen sich messen: In der Luft waren sie vorhanden, fanden sich aber bisher kaum im Grundwasser und reichern sich stattdessen im Boden und dort in den obersten zehn Zentimetern an. „Der Boden filtert die Schadstoffe praktisch heraus“, sagt Barth.
„Doch die Kapazität des Bodens könnte irgendwann erschöpft sein und die PAKs würden dann in kürzerer Zeit ausgewaschen. So ähnlich war es in der Vergangenheit bei der Versauerung von Gewässern: Ein halbes Jahrhundert lang scheint es nicht viel auszumachen und plötzlich – in ein oder zwei Jahren – kippt das System um“, beschreibt Grathwohl denkbare Szenarien. „Bei solch komplexen Systemen kann es Dominoeffekte geben, die wir jetzt vielleicht noch gar nicht kennen.“
Mehr zum Thema unter: www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/pd/pd2005/pd-2005-03.html
(Quelle: Uni Tübingen, 12.04.2005)
Geonet News vom 20.04.2005