Erdkruste als unerschöpfliches Wasserstoffreservoir

Neue Studien von NASA-Wissenschaftlern deuten daraufhin, dass es unter der Erdoberfläche erheblich größere Bakterienmengen gibt, als bisher angenommen.

Wie die Forscher des Ames Forschungszentrums in der Zeitschrift Astrobiology mitteilen, ernähren sich die Mikroorganismen von Wasserstoffgas, das im Gestein produziert wird. Die Menge dieser unterirdischen Bakterien könnte sogar die Anzahl aller auf der Erdoberfläche lebenden Organismen weit übertreffen. Nach Ansicht von Friedemann Freund könnte es auch auf dem Mars ähnliche Mikroorganismen geben – ein neuer Impuls für die Suche nach extraterrestrischem Leben.

„Der Wasserstoff, der die Bakterien in der Tiefe der Erde ernährt, entsteht durch eine chemische Reaktion in Gestein, dass einst heiß oder sogar geschmolzen war“, erklärt Freund. Schon seit längerer Zeit war bekannt, dass Wasserstoffgas entsteht, wenn Wasser in frisch aufgerissene Spalten im Gestein eindringt. Freund hat nun jedoch einen neuen Reaktionsmechanismus entdeckt, bei der sich auch im Inneren der Mineralien Wasserstoff bilden kann. Sie läuft auch ohne Spaltenbildung während des langsamen Abkühlens und Alterns des Gesteins ab.

Um die Reaktion zu verstehen, ist es nötig, einen Blick in die Mineralstruktur zu werfen: Silizium, Sauerstoff und Metalle sind dort zu einem dichten Gefüge aus Atomen und Ionen gepackt. Wenn die Mineralien unter hohen Temperaturen auskristallisieren, werden immer auch einige Wassermoleküle in diesem Kristallgitter „eingefangen“, erklärt Freund. Diese Wassermoleküle brechen dabei auseinander und werden zu negativ geladenen Hydroxyl-Anionen – einem Sauerstoffion mit einem angehängten Proton.

„Wenn das Mineral sich bis auf eine Temperatur unter 400 bis 500 Grad abkühlt, findet eine seltsame Reaktion statt: Paare dieser Hydroxyl-Anionen formen sich und lagern ihre Elektronen so um, das Wasserstoffmoleküle entstehen“ beschreibt Freund den Vorgang. Ungewöhnlich und bisher nicht vollends verstanden daran: Eigentlich müssten die Anionen ihre an sie gebundenen Elektronen festhalten statt jeweils eines an die Protonen abzugeben. „Plötzlich wandeln sich einige Sauerstoffanionen, von denen jeder glaubte, sie existierten nur in einem doppelt negativ geladenen Zustand, in einfach negativ geladenen um“, erklärt Freund. „Diese einfach negativen Ionen lagern sich dann in Paaren zusammen und bleiben so auch über längere Zeit stabil und nicht reaktiv.“ Die Wasserstoffmoleküle dagegen wandern innerhalb der Mineralstruktur herum und können durch die schmalen Ritzen zwischen den einzelnen Mineralkörnern im Gestein aus dem Molekülverband austreten.

„In den oberen 20 Kilometern der Erdkruste erlauben es die Bedingungen, mithilfe dieser Reaktion einen nahezu unerschöpflichen Wasserstoffvorrat zu bilden. In den oberen fünf bis zehn Kilometern sind dagegen alle Spalten und Brüche im Gestein vermutlich mit flüssigem Wasser gefüllt. Die im Gestein gebundenen Wasserstoffmoleküle wandern dort aus den Mineralien aus, lösen sich in diesem Porenwasser und reichern es so mit Wasserstoff an. Mikroorganismen, die in diesem Wasser leben, nutzen diesen gelösten Wasserstoff als lebenswichtige Energiequelle.“

Die Ergebnisse von Freund und seinen Mitarbeitern könnte dazu beitragen, auch Fragen der kommerziellen Wasserstoffgewinnung aus Gestein und der Minensicherheit zu lösen. Während Bohrungs– und Bergbauarbeiten dringt häufig genug Wasserstoff aus dem Gestein, um explosive Gasmischungen zu erzeugen. „Seit alter Zeit hat es im Bergbau diese Grubenexposionen gegeben“, erklärt Freund. „aber das Wasserstoffgas ist ja nicht nur zerstörerisch, es stellt auch eine wichtige Energie– und Brennstoffquelle für die Zukunft dar.“

(Quelle: NASA Ames, 04.04.2002)

Geonet News vom 08.04.2002