Erdbebenmessung aus dem All

Geodätische Erfassung der Auswirkungen des Sumatra-Andaman-Bebens in Deutschland. Ob Navigationsgeräte, Mobilfunknetze oder LKW-Maut – ohne moderne Satellitentechnik funktioniert heute kaum noch etwas.

Doch nicht nur aus unserem Alltag ist das Global Positioning System (GPS) kaum mehr wegzudenken. Auch in der Vermessungstechnik und Seismologie besteht ein hoher Bedarf an exakten Ortsbestimmungen. So lässt sich mithilfe von Satelliten nicht nur die langsame Verschiebung der Kontinentalplatten, sondern neuerdings auch die Ausbreitung von Erdbebenwellen verfolgen.

Als US-amerikanische Wissenschaftler das Satellitenpositionierungssystem GPS in den 1970er Jahren entwickelten, war sein enormes Potenzial für die spätere zivile und wirtschaftliche Nutzung kaum absehbar. Inzwischen hat das Militär sein einstiges Monopol auf die exakte Ortsbestimmung aufgegeben. Neueste Entwicklungen machen diese sogar abseits der Satellitentechnik mithilfe von Mobilfunknetzen oder kleiner RFID-Sensoren möglich. „Dennoch bleiben die globalen Satellitennavigationssysteme (GNSS) – neben GPS auch das russische System GLONASS oder das geplante europäische Galileo – eine Klasse für sich, was Verfügbarkeit, Genauigkeit und Anwendungsspektrum betrifft“, erklärt Wolfgang Söhne vom deutschen Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG).

„Während ein Navigationsgerät heute fast schon in der Lage ist, dem Nutzer zu zeigen, auf welcher Fahrspur er sich befindet, weisen Geodäten mithilfe der Satelliten nach, wie sich die Kontinentalplatten im Zeitraum eines Jahres im Zentimeter-Bereich gegeneinander verschieben“, erläutert Wolfgang Schwahn, ebenfalls vom BKG, den Unterschied zur wissenschaftlichen Nutzung. Darüber hinaus gibt es Untersuchungen und Ergebnisse, dass sich mittels der GNSS die Veränderungen der Erdoberfläche infolge eines Erdbebens erfassen lassen. Für das Sumatra-Andaman-Beben und das Parkfield-Beben in Kalifornien, beide im Jahr 2004, ist dies beispielsweise gelungen. „In tektonisch instabilen und überdies dicht besiedelten Regionen wie Japan oder Kalifornien arbeiten Gruppen zudem daran, die erfassten Verschiebungen innerhalb einer Platte oder an den Plattenrändern im Verbund mit anderen geowissenschaftlichen Daten zu einer Erdbebenvorhersage zu nutzen“, fügt Söhne hinzu.

Doch nicht nur bleibende Deformationen lassen sich kartieren. So sorgte beispielsweise das Sumatra-Andaman-Erdbeben, das sich am 26. Dezember 2004 um 00:58:40 Uhr vor der Küste Sumatras ereignete, weltweit für Erschütterungen. Auch wenn das Beben für uns nicht spürbar war, reichte seine Stärke von 9,3 MW auf der Richterskala aus, dass Geodäten die elastischen Verschiebungen an der Erdoberfläche infolge der seismischen Wellen auch in Deutschland mithilfe modernster Satellitentechnik erfassen konnten.

Rund eine halbe Stunde nach den ersten Erdstößen war es soweit: die Erdbebenwellen trafen in nennenswerter Größe in Deutschland ein. Aufgezeichnet wurden diese feinen Bewegungen sowohl durch klassische seismologische Sensoren als auch durch die zahlreichen GPS-Stationen des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (GREF) und der Bundesländer (SAPOS). Ihre exakten Positionen und die Entfernung zu umliegenden Stationen wurden mit einer zeitlichen Auflösung von einer Sekunde berechnet und versetzten die Wissenschaftler in die Lage, auch kleinste Bewegungen der Erdoberfläche zu bestimmen.

Unter den seismischen Wellen bewirkte die Love-Welle die größte Verschiebung der Bodenpartikel, im vorliegenden Fall eine solche in Nord-Süd-Richtung. Seismologen und Geodäten können sich die unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der seismischen Wellen zunutze machen. Aus dem Zeitversatz zwischen dem Eintreffen der einzelnen Erschütterungen lässt sich sowohl auf den Ursprungsort des Bebens als auch die Art des durchlaufenen Untergrundes schließen.

Quelle: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

Geonet News vom 10.04.2006