Entdeckung der Langsamkeit“ im Erdinneren
Der untere Erdmantel ist – entgegen bisherigen Annahmen – chemisch relativ heterogen zusammengesetzt.
Das hat eine neue, jetzt in Science veröffentlichte Studie gezeigt. Der Stoffaustausch in dieser rund 670 Kilometer tief unter der Erdoberfläche beginnenden Zone vollzieht sich extrem langsam und kann daher nicht für eine gleichmäßige Verteilung der Mineralien sorgen.
„Recycling“ der Erdplatten
Es sind Extremereignisse wie Vulkanausbrüche, Erd– oder Seebeben, die uns gewahr werden lassen, dass sich tief unter unseren Füßen etwas regt. Unsere Ozeane und Kontinente ruhen auf riesigen Platten, die sich einige Zentimeter im Jahr bewegen. An bestimmten Stellen schiebt sich eine Platte unter die andere, taucht in das Erdinnere ab und wird dort bei hohem Druck und Temperaturen quasi recycelt.
Bisher hatte man angenommen, dass sich die chemischen
Zusammensetzungen der abtauchenden Erdplatten und des umgebenden Mantelgesteins rasch angleichen. „Es war eine gängige Hypothese, dass der untere Erdmantel chemisch relativ homogen ist“, erklärt Professor Falko Langenhorst. Der Mineraloge von der Friedrich-Schiller– Universität Jena und Geowissenschaftler der Universität Bayreuth konnten nun zeigen, dass sich der Stoffaustausch im Erdmantel jedoch extrem langsam vollzieht. „Demzufolge ist diese Mantelzone, die etwa 670 Kilometer unter der Erdoberfläche beginnt und bis zu einer Tiefe von 2.900 Kilometer reicht, vermutlich heterogener als bisher gedacht“, sagt Langenhorst.
Er und seine Bayreuther Kollegen haben nun erstmals in Experimenten nachvollzogen, wie schnell sich die Elemente im unteren Mantel vermischen können. Sie ermittelten die Diffusionskoeffizienten von Silikat-Perovskit für verschieden hohe Drücke und Temperaturen. Der untere Erdmantel besteht zu 80 Prozent aus Perovskit, dem häufigsten Mineral der Erde. Die Ergebnisse der Diffusionsexperimente werden in der renommierten Zeitschrift „Science“ publiziert.
Vorgänge im Laborversuch nachvollzogen
Um zum Ziel zu gelangen waren aufwendige Hochdruckexperimente nötig, die Dr. Christian Holzapfel, Prof. Dr. David Rubie und Dr. Daniel Frost aus Bayreuth durchführten. Langenhorst und Holzapfel bestimmten dann den Elementaustausch im Nanometerbereich mit dem Transmissionselektronenmikroskop. Um die Vorgänge im Erdinneren zu simulieren, waren je zwei zylinderförmige Proben von Silikat-Perovskit mit verschiedenen Konzentrationen von Eisen und Magnesium aneinandergelegt und bis zu 24 Stunden Drücken von 22 bis 26 Gigapascal und Temperaturen zwischen 1.973 und 2.273 Kelvin ausgesetzt worden.
„Dabei kommt es zum Ausgleich des Konzentrationsunterschiedes. Denn durch die Brownsche Molekularbewegung bewegen sich die Teilchen, in unserem Falle die Eisen– und Magnesiumionen im Perovskit, von der höheren zur niedrigeren Konzentration“, erklärt Langenhorst das zugrundeliegende Prinzip.
Nur wenige Meter in 4.5 Milliarden Jahren
Als die Forscher die Diffusionsprofile untersuchten, stellten sie fest, dass der Bereich, in dem die Eisen– und Magnesiumkonzentrationen begonnen hatten, sich einander anzugleichen, nur zwischen 150 bis 1.500 Nanometer groß war. Das bedeutet, dass der Diffusionsprozess trotz hoher Temperaturen, die ihn eigentlich beschleunigen sollten, extrem langsam vonstatten geht, so das Fazit der Wissenschaftler. „Aus der Länge des Profils, das man erhält, wenn die Proben höchstens einen Tag den Extrembedingungen ausgesetzt sind, lässt sich abschätzen, über welche Entfernungen der Diffusionsprozess in geologischen Zeiträumen in der Natur wirklich abläuft“, erklärt Langenhorst. Nach den Messungen der Forscher findet in 4,5 Milliarden Jahren, so alt ist unsere Erde, nur ein Austausch im Maßstab von wenigen Metern statt.
(Quelle: Universität Jena, 01.08.2005)
Geonet News vom 02.08.2005