Bergbau am PC: Virtueller Streb einsatzbereit
Wenn sich der Kohlehobel durch das Flöz frißt, sind in modernen Bergwerken nur noch eine Handvoll Bergleute vor Ort im Streb, dem Abbauraum, in dem die Kohle gefördert wird.
Vortrieb der Strecken und Gewinnung der Kohle laufen heute in hohem Maß automatisiert ab, ferngesteuert von Leitstellen über Tage. Die Steuer– und Regeltechnik, die das möglich macht, ist sehr komplex. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an das Personal. Für Schulungszwecke, um die Anlagen vor dem Einsatz in schwieriger Umgebung zu testen und um neue Überwachungsmöglichkeiten auszuloten und ihre geometrisch technischen Datenbanken zu visualisieren, bedient sich die Deutsche Steinkohle AG, Herne, künftig eines virtuellen Modells. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPA innerhalb des Projekts „Use of virtual reality for mine operations and safety“. Die interaktive, animierte 3-D-Umgebung eines Streb-Streckenkomplexes stellt einen Streb nebst Kopf– und Basisstrecke und den eingesetzen Betriebsmitteln dar.
Mit dem virtuellen Streb will die DSK ihr Personal künftig effizienter mit den Prozessen unter Tage vertraut machen. „Die 3-D-Animation ist bestens dafür geeignet, geometrisch-kinematische Zusammenhänge zwischen den Betriebsmitteln eingängig darzustellen und Arbeitsreihenfolgen und Prozessabhängigkeiten zu verdeutlichen“, erklärt Projektleiter Christoph Runde vom Fraunhofer IPA. Maschinendaten aus dem täglichen Einsatz stellen den direkten Bezug zur realen Situation im Streb her. Eine Hardware-in-the-loop-Anwendung liest die Ausgangsdaten einer Maschinensteuerung – in diesem Falle einer Schildausbausteuerung PM4 – ein und setzt sie in Manipulationen in der virtuellen Welt um. „Damit kann der Umgang mit der PM4-Steuerung in Zukunft nicht nur gelehrt, sondern auch risikofrei getestet werden“, fasst Runde zusammen.
Darüber hinaus will die DSK Möglichkeiten zum Online-Monitoring der Arbeiten unter Tage über eine 3-D-Umgebung ausloten, um die Betriebssicherheit zu erhöhen. Dazu wird die Visualisierung prototypisch an die Datenströme einer Grubenwarte angebunden. Positionen der Betriebsmittel lassen sich damit ebenso wirklichkeitsgetreu visualisieren wie deren Zustände. Im Notfall soll der Zugriff auf eine äquivalente virtuelle Umgebung schnelle Aussagen über die nächsten Fluchtwege, Telefone oder Erste-Hilfe-Einrichtungen geben. „Anstatt in einer Stresssituation Grubenpläne mit abstrakten Zustandsdaten verknüpfen zu müssen, soll sich der Mitarbeiter der Grubenwarte künftig zügig in einer virtuellen Welt orientieren und unmittelbar in die Situation der Mitarbeiter unter Tage versetzen können“, beschreibt Christoph Runde das angestrebte Szenario. Ähnliche Vorteile bietet die konfigurierbare virtuelle Umgebung als intuitive Benutzeroberfläche der geometrisch-technischen Datenbanken der DSK. Immense Datenbestände markscheiderischer Daten, Sensorauswertungen der Wetterführung, der Elektrik und Mechanik unter Tage liegen bereits vor und könnten die Basis für eine virtuelle Welt bilden, die die Inhalte dieser Datenbanken transparent wiedergibt.
Die vielfältigen Anwendungen stellen besondere Anforderungen an das Visualisierungssystem: Es läuft auf handelsüblichen Industrie-PCs unter Windows NT oder Windows 2000. „Wir haben den virtuellen Streb aus Metadaten wie Streckenlänge, Streblänge, Strebposition, Ausbautyp, Gewinnungseinrichtung und Schildtyp generiert. So läßt er sich auch vom Benutzer einfach an neue Gegebenheiten anpassen“, erklärt Runde.
(Quelle: Informationsdienst Wissenschaft (idw) – Pressemitteilung Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, 27.09.2001)
Geonet News vom 28.09.2001