Bakterien und Pflanzen im Kampf gegen strahlenden Bauschutt

Große Wunden, wie sie beispielsweise der Uranbergbau in die Ostthüringer Landschaft geschlagen hat, heilen langsam.

Welche Rolle Pflanzen und Mikroorganismen bei solchen Genesungsprozessen spielen können, wird an der Friedrich-Schiller-Universität Jena untersucht. „Für das Szenario einer Heilung durch Pflanzen, Phytoremediation genannt, wurde bisher je nach Schadstoff ein Zeitraum von ca. 100 Jahren angesetzt“, berichtet Professor Erika Kothe. Die Mikrobiologin von der Universität Jena will diesen Prozess mit Hilfe spezieller Bakterien und Pilze beschleunigen. Anfang Juli startete ihr Forschungsprojekt „Untersuchungen zur Strahlenschutzvorsorge für radionuklid-belastetes Substrat: Mikrobieller Beitrag zur Bioakkumulation aus Bauschutt“. Es wird vom Bundesforschungsministerium für drei Jahre mit 600.000 Euro aus den Mitteln für den Rückbau kerntechnischer Anlagen gefördert.

Das von Kothe vorgeschlagene Dekontaminationsverfahren wird zunächst an Bauschutt und Haldenmaterial aus dem Ostthüringer Uranerzbergbau erprobt. Das Material enthält Radionuklide wie Uran und Radium sowie Schwermetalle wie Nickel oder Cadmium, die in den umliegenden Boden ausgetragen werden und so in die Nahrungskette gelangen können. Das Team um Kothe will nun testen, welche Bakterien-, Pilz– und Pflanzengemeinschaften auf solchen schwach kontaminierten Böden wachsen. „Es geht darum, enthaltene Radionuklide und Schwermetalle zu binden“, erklärt die Jenaer Expertin für Mikrobielle Phytopathologie. Die Pflanzen sollen sie quasi aus dem Boden „saugen“.

Die „grünen Schwermetallsauger“ stehen jedoch erst am Ende einer komplizierten Abreicherungskette. Bisher sei man allein von der Aufnahmeleistung der Pflanzen ausgegangen, so Kothe. „Die zusätzliche Aufnahme durch Einsatz einer speziellen, angepassten Mikroflora hat noch niemand bestimmt“, erläutert sie ihren Forschungsansatz. Die Impfung des Bodens mit „kleinen Helfern“ soll die Phytoremediation schneller und kontrollierter voranschreiten lassen. Denn schließlich will man nicht unbedingt 100 Jahre warten.

Potenzielle Helfer sind z. B. schwermetallresistente Bakterien, die Bodennährstoffe „mundgerecht“ aufbereiten und Bodenpilze, so genannte Mykorrhiza, die in enger Symbiose mit den Pflanzenwurzeln wachsen. Kothe greift auf eigens gesammelte, sehr nickelresistente Bakterienstämme und Pilze zurück. Mit ihnen will sie den mit Kompost vermischten Wismut-Bauschutt „beleben“. Zusätzlich möchte sie gerne einen Schnell-Test entwickeln, der anzeigt, welche Bakterien– und Pilzarten schon im Boden vorhanden sind. „Mit diesem ,Mikroflora-Monitoring' kann man verfolgen, wie die Bodenorganismen bei der Regeneration zusammenarbeiten und wann wir mit anderen Arten gezielt nachhelfen können“, so Kothe.

Die Untersuchungen erfolgen zunächst im Labor. Die WISUTEC, eine Tochterfirma der Wismut, der ehemals drittgrößten Uranproduzentin der Welt, stellt für die Forschung kontaminiertes Material zur Verfügung. Die Firma wird darüber hinaus die Erprobung des Verfahrens im Pilotmaßstab betreuen. In einer zweiten Projektetappe soll die Dekontaminierung von Bauschutt aus dem Rückbau von Kernkraftwerken untersucht werden. Dann wird geprüft, inwieweit das Verfahren sich zur nachhaltigen Sanierung von Liegenschaften eignet, die durch den Uranerzbergbau oder die Nutzung der Kernenergie kontaminiert sind.

(Quelle: Informationsdienst Wissenschaft – idw – – Pressemitteilung Friedrich-Schiller-Universität Jena, 25.07.2003)

Geonet News vom 28.07.2003